Sonntag, 4. Oktober 2015

Spielanalyse: TSG 1899 Hoffenheim - VfB Stuttgart 2:2

Viele Ausfälle, einige Umstellungen, ein gleichwertiger Gegner und ein gar nicht mal so aufregender Dreifachwechsel. Klärungsbedarf.

Zornigers Umstellungen, Hoffenheims Reaktion


Erst letzte Woche hab ich mal wieder die Anfälligkeit der linken Mittelfeldseite kritisiert und besonders auf das unsaubere Defensivspiel von Gentner und Kostic hingewiesen. Interessanterweise fielen neben Ginczek genau diese beiden Spieler für die Partie beim punktemäßig ähnlich kriselnden Nachbarn aus dem Kraichgau aus.

Und tatsächlich agierte der VfB im Pressing ziemlich gut und im Vergleich zu vorher auch ein bisschen anders. Die übliche 4-4-2-Ordnung gab es zu Gunsten eines 4-1-3-2 mit einem dauerhaft auf Polanski oder Schwegler aufschiebenden Sechser kaum noch zu sehen. In dieser Anordnung wusste besonders das Verhalten der Spitzen, zu überzeugen, die mit vielen isolierenden Bogenläufen arbeiteten und aus einer weit aufgeschobenen Grundposition dem gegnerischen Aufbauspiel trotz Schweglers Abkippen und der häufigen Einbindung von Baumann immer wieder die Optionen nehmen konnten.

Hoffenheim reagierte darauf mit einer gedulidigen tiefen Ballzirkulation und schlug dann, nachdem sie den VfB angelockt hatten, lange Bälle auf die Flügel, wo sie sich mit ihrer dann meist engen und ausgewogenen 4-3-3-haften Anordnung lokale Überzahl bei zweiten Bällen erhofften. Das gelang ordentlich und brachte die VfB-Außenverteidiger hin und wieder in unangenehme 1-gegen-2-Situationen. Auch Baumanns sehr gute weite Abwürfe und Abschläge wirkten sich positiv aus und machten das zu einem probaten Mittel für die TSG. Anschließend suchten sie das Zusammenspiel der beweglichen Offensive, gemeinsam mit den passenden unterstützenden Läufen der Sechser. Insgesamt wirkten Hoffenheims Mechanismen in diesem Bereich hochwertig, allerdings konnten sie die wegen des wirklich guten Stuttgarter Pressings nur gelegentlich nutzen.

Neue Besetzung, alte Muster


Die Gastgeber wiederum hatten gegen den Ball auch Einiges zu bieten. Grundsätzlich stand Hoffenheim ein gutes Stück tiefer als der VfB und arbeitete zunächst viel mit den beiden Spitzen. Gegen den ungewönhnlich häufig abkippenden Die und die daraus entstehende nicht allzu weit aufgefächerte Aufnaudreierkette brachten sie viele intensive, isolierende Läufe nach außen auf die Innenverteidiger an. In der Folge musste der VfB hektisch Kombinationsansätze über die Seite suchen, was von der Hoffenheimer Kompaktheit gut kontrolliert werden konnte.

Erst nach etwa 20 Minuten, als die TSG ein wenig passiver agierte, änderte sich das und der VfB kam besser ins Aufrücken. Besonders Serey Die war nun sehr präsent und nutzte praktisch jede Gelegenheit sofort für flache Eröffnungen zwischen die Linien, worauf der Gegner nicht immer direkt reagieren konnte. Die angedachten Zentrumskombinationen, mit denen das Spiel fortgesetzt werden sollte, funktionierten allerdings nicht ganz so wie erhofft. Zum einen waren diese Situationen natürlich nicht immer perfekt vorbereitet, sodass der VfB sich hier und da in unterlegenen Staffelungen wiederfand. Zum anderen durchzog das Stuttgarts Spiel eine durchgängige Unruhe und Hektik, die sich sowohl in Bezug auf die Läufe der Angreifer als auch auf die Passentscheidungen in einem voreiligen Fokus auf die letzte Linie äußerte – ein Problem, das sich übrigens auch leicht negativ auf das Gegenpressing auswirkte.

Dementsprechend konnte das hohe spielerische Potential, das an diesem Nachmittag aufgrund der Ausfälle mehr oder weniger zufällig zusammenfand, nicht richtig ausgeschöpft werden. Besonders Maxim ging durch den oft zu linearen Rhythmus in eigentlich sinnvollen balancierenden und strukturgebenden Positionierungen etwas unter. Bessere Momente und einen vielfältigeren Übergang ins Angriffsdrittel gab es zum Beispiel, wenn Klein mal Harnik vorderlief und seinem Landsmann Raum öffnete oder Rupp herauskippte und mit Didavis Zurückfallen Synergien schuf. Hoffenheims Sechser fanden dann zwar nicht immer aber oft noch in gute isolierende Stellungen und konnten gemeinsam mit dem helfenden Rudy den VfB aus dem Zentrum heraushalten. Die folgenden Flanken wiederum waren aus Besetzungsgründen nicht allzu vielversprechend.

Zweite Halbzeit


Nachdem die erste Hälfte des Spiels vor allem dank der guten Pressingleistungen beider Teams eher chancenarm blieb, kam nach der Pause mehr Action in die Partie. Den 0:1-Rückstand durch einen zweifelhaften Elfmeter im Blick wurde der VfB zunehmend offensiver und spielte mit weiter aufgerückten Außenverteidigern. Die dadurch ein wenig zurückgedrängte und aufgelockerte Formation der Kraichgauer wurde ähnlich wie zuvor bespielt, was immer noch zu unsauber und ungeduldig geschah, aber dennoch für deutlich mehr Gefahr als zuvor sorgen konnte. Auf der anderen Seite erhöhte der VfB auch früh das Risiko, in einen Konter zu laufen und tatsächlich war das Spiel zu diesem Zeitpunkt und auch für den Rest der Partie ziemlich offen.

In der 63. Minute tauschte Zorniger dann gleich drei Mal: Zunächst nahm er den in einzelnen Szenen unglücklichen, aber keineswegs schlechten Sunjic für Schwaab aus der Partie. Warum den als Rechtsverteidiger eingelpanten Schwaab und nicht einen der eigentlichen Ersatz-Innenverteidiger Hlousek und Niedermeier? Weil Zorniger in dieser speziellen Situation Spielstärke haben wollte. Weiterhin kamen noch Ferati für Maxim, der viel Bewegung reinbrachte, sowie Kliment für Rupp, sodass Didavi auf die Acht wechselte, diese aber im Prinzip wie ein Zehner interpretierte. Das Ganze sorgte zwar für relativ große Räume im Zentrum neben Die, aber Harnik und Ferati arbeiteten jeweils gut mit und konnten diese meistens improvisiert zumachen.

In der Offensive bedeuteten diese Einwechslungen ein wenig mehr Weiträumigkeit und Aktivität in die Spitze, die zunächst erfolglos mit langen Bällen von Schwaab zu bedienen versucht wurde. Als der VfB später wieder mehr auf flache Pässe zurückgriff, entstanden ein paar ungünstige Staffelungen, die besonders den gelegentlich zurückfallenden Ferati für Hoffenheim pressbar machten und zum womöglich entscheidenden 3:1 hätten führen können. In dieser Phase gab es für Hoffenheim einige Situationen, bei denen sie im Konter kurz vor der möglichen Großchance doch noch scheiterten.

Stattdessen schaffte der VfB ein bisschen überraschend und angesichts der eigentlich nicht besonders gefährlichen Ausgangssituation mit dem vollkommen statisch besetzten Strafraum, auch ein bisschen glücklich den Ausgleichstreffer. Die letzte Chance des Spiels, die einem sehr starken Ballgewinn von Harnik und einem tollen Engendribbling mit Schnittstellenpass von Didavi nachfolgte, vergab der VfB allerdings und so blieb es beim nicht unverdienten Remis.

3 Kommentare:

  1. Bin unschlüssig ob ich angesichts des 2:2 froh oder verärgert sein soll. Gut ist, dass man die Niederlage vermieden hat, trotz blöder Gegentreffer und vieler Ausfälle. Schlecht ist, dass es nach wie vor diese blöden Gegentreffer gab. Insbesondere Tytons Verhalten beim 2:1 durch Volland hat mich massiv gestört.

    Insgesamt finde ich ist es momentan recht kritisch. Viele Teams, die man als Abstiegskandidaten bezeichnet hat vor der Saison, punkten grad was das Zeug hält, während der VfB diese massig verschenkt. Die Heimspiele gegen die Ingolstadts oder Bremens werden entscheidend. Es wäre höchst unglücklich in der Rückrunde auswärts unter zwingendem Punktedruck zu stehen, weil man die Hinspiele zuhause nicht hat für sich entscheiden können. Dazu macht Zorniger auch einen sehr angespannten Eindruck, was seine diplomatisch unglücklichen Aussagen zu Werner z.B. zeigen.

    Aus taktischer Sicht bin ich jetzt mal gespannt, wie Ginczeks Ausfall kompensiert wird. Was erwartest du denn an Auswirkungen, sowohl auf Spielaufbau und Offensivspiel, wie auch der Rolle Ginczeks im Pressing?

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    1. Hm, das Pressing müsste eigentlich ganz gut machbar sein, im Anlaufen sind die Ersatzleute durchgängig ziemlich gut, wobei Ginczek da schon besonders stark ist.

      Offensiv könnte man ihn wohl sogar einigermaßen 1:1 durch Kliment oder Harnik ersetzen, die sind ihm grundsätzlich relativ ähnlich, würd ich sagen, und können beide auch Zielspieler für lange Bälle sein, wenn auch auf etwas niedrigerem Niveau wahrscheinlich. Alternativ, wie in diesem Spiel eben, mehr über flaches Aufbauspiel machen. Dann wiederum müsste man aber versuchen, mehr Struktur in die Mechanismen reinzubekommen. Mal schauen.

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  2. Das mit Werner kann ich aber absolut nachvollziehen, weil Zorniger damit den Finger in die Wunde legt, was seit Jahren schiefläuft. Die Mannschaft funktioniert nur, wenn sie mit dem Rücken zur Wand steht, sobald es mal nicht katastrophal läuft, schleichen sich sofort Nachlässigkeiten ein (wie hier durch Werner oder letzte Woche mit der verschlafenen Anfangsphase gegen Gladbach mit zwei absolut vermeidbaren Gegentoren). Das muss aufhören, wenn der VfB nicht permanent gegen den Abstieg spielen will.

    Taktisch ist immerhin positiv zu beobachten, dass die Gegentore im Unterschied zu Saisonbeginn fast ausschließlich aus Zugriffssituationen fallen. Das heisst, dass die Mannschaft das neue System immer besser umsetzt und nicht mehr regelmäßig überrannt wird. Die Gegentore fallen jetzt aufgrund individueller Fehler, was meines Erachtens mit der oben erwähnten fehlenden Einstellung zu tun hat. Irgendwas stimmt da im Mannschaftsgefüge nicht. Dazu passt ja auch ins Bild, dass Ibisevic fast zwei Jahre nix getroffen hat, und jetzt kaum weg ist und die Buden nur so reihenweise macht.

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