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Samstag, 15. November 2014

Die Färöer im Herbst 2014

Die Färöer-Inseln gelten mit gerade einmal 50.000 Einwohnern als Fußballzwerg. Spätestens aber seitdem sich Deutschland in der vergangenen WM-Qualifikation gegen die Skandinavier mühte, kennt man sie als ständig overperformenden "Pro-Kopf-Weltmeister". Mit frischem Nachwuchs aus Dänemark ging Trainer Lars Olsen mit seinen Schützlingen nun noch einen Schritt weiter und installierte ein sehenswertes flügelorientiertes Ballbesitzspiel mit gesunder Mittelfeldfluidität.

Ballbesitz auf Färöisch


Getragen wird dieses von einigen neuen und alten Gesichtern im Team. Eines davon gehört Mittelfeldspieler Hallur Hansson, der schon in der WM-Quali eine feste Größe bei den Färingern war und in seiner Zeit beim Aalborg BK unter Kent Nielsen trainieren durfte. Ein anderer ist der erst 18 Jahre alte Brandur Olsen aus der Jugend des FC Kopenhagen; beim Aushängeschild Dänemarks sitzt der junge Zehner immerhin schon regelmäßig auf der Bank. Dazu kommen Neulinge wie Innenverteidiger Sonni Nattestad und der 28-jährige Sølvi Vatnhamar, der im November erst sein drittes Länderspiel absolvierte.

Formation gegen Ungarn. Beim Sieg gegen die
Griechen spielten sie genauso.

Ein besonderes Highlight bei Olsens Team ist das flexible, aber auch klar strukturierte Bewegungsspiel der drei Mittelfeldspieler. Hansson und Routinier Benjaminsen stoßen abwechslend von der Sechs aus weit nach vorne, während Brandur Olsen sich eher tief orientiert und oft die Achterräume bearbeitet. Diese Wechselbewegungen sorgen immer wieder für Unordnung in der gegnerischen Formation und die Färinger können sich so kleine Freiräume zum aufbauen erspielen. Wegen der klaren Struktur dieser Flexibilität entstehen außerdem keine eigenen Lücken und die Formation bleibt, abgesehen von ganz vereinzelnen Szenen, kompakt und homogen, was im Spielaufbau und im Gegenpressing hilft. Gegen Ungarn konnten sie damit sogar das Pressing des Gegners ein paar Mal spielerisch auflösen.

Die drei übrigen Offensivspieler fügen sich in diese Struktur gut ein. Edmundsson spielt als einzige Spitze seinen gewohnt weiträumigen Part. Holst rückt oft diagonal ein und wirkt in seiner flexiblen Umgebung immer wieder geschickt anpassend und unterstützend. Vatnhamar spielt dagegen etwas breiter und balancierender. Er glänzt vor allem mit seinen Defensivfähigkeiten, besonders beim ballfernen Einrücken und im Gegenpressing, sowie gezielten Diagonaldribblings.

Gegen den Ball überzeugen die Färinger ohnehin. Ihr Mittelfeldpressing besticht durch vorbildliche Kompaktheit, die sie vor allem mit den weit nach außen schiebenden Sechsern herstellen. Gegen das unkreative Flügelspiel von Ungarn und Griechenland reichte das locker zum Abfangen der meisten Angriffe. Darüber hinaus gab es immer mal wieder einen souveränen Pressingübergang, der gezielt ausgelöst und effektiv ausgeführt wurde. Besonders im Spiel gegen die wenig ambitionierten Ungarn konnten sie so immer wieder lange Bälle erzwingen.

Selbstbewusstes Aufrücken, Offensivkompaktheit und Flankenfokus


Durchschlagskraft erzeugen die Färöer aus dem Ballbesitzspiel heraus vor allem über die Flügel, besonders rechts, wo der dribbelstarke Vatnhamar oft von Næs hinterlaufen wird. Die weit nachrückenden Sechser schieben bis in den Strafraum und stellen Strafraumpräsenz und Optionen für flache Hereingaben her. Darüber hinaus ist ihr Flügelspiel sehr gut abgesichert, da der Rückraum immer besetzt ist und die Sechser sehr zuverlässig die Balance halten. Manchmal treiben sie das sogar so weit, dass sie bei Freistößen aus dem Halbfeld nur sporadisch den Strafraum besetzen und dann gezielt aus dem Rückraum heraus nachsetzen.

Ihr anderes großes Offensivmittel sind zweite Bälle. Für solche schieben sie in eine extrem kompakte Struktur mit sehr guten, ausgewogenen Abständen. Dadurch können sie ein starkes Gegenpressing auffahren und machen sich gleichzeitig nicht selbst die Räume eng, sodass sie sich anschließend konstruktiv befreien können. Gegen Griechenland nutzten sie dieses Mittel auch oft bei Kontern, was, verbunden mit den Vorstößen der Sechser, extrem gefährlich war.

Mit dieser letztlich doch eher flankenorientierten Spielweise im Angriffsdrittel sind sie zwar nicht übertrieben durchschlagskräftig, aber schaffen es trotzdem immer wieder, Gefahr zu versprühen. In Griechenland, mit einer konterlastigen Ausrichtung, gab es neben dem Tor noch einen Pfostenschuss und weitere gute Möglichkeiten. Gegen Ungarn hatten sie etwas weniger Chancen, aber dominierten die Partie mit unglaublichen 65% Ballbesitz in der zweiten Hälfte (über das ganze Spiel hinweg waren es 58%). Ein schnelleres Spiel hätten die physisch unterlegenen Färinger wahrscheinlich viel deutlicher verloren.

Man muss auf der anderen Seite natürlich berücksichtigen, dass gerade die Ungarn nach ihrem 1:0 durch eine Ecke kaum noch versuchten, mitzuspielen und insgesamt nicht gut waren. Wenn man aber schon anfangen muss, Leistungen der Färöer-Inseln wegen schwacher Gegner zu relativeren, dann erübrigt sich eigentlich jeder weitere Kommentar.

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