Kleinere Neuerungen
Im Testspiel gegen Hannover 96 hatte Jürgen Kramny noch einige Dinge ausprobiert. Hauptsächlich waren das: Viele Angriffpressingphasen mit höheren Flügelspielern, neue, besser synchronisierte Bewegungsmuster im Mittelfeld und ein kleiner Fokus auf das Offensivzentrum. Von diesen Sachen wurden jedoch nur Kleinigkeiten in die Auftaktpartie gegen den FC mitgenommen.
Gegen den Ball agierte der VfB wie schon vor der Winterpause sehr tief und breit. Um eine von Kölns wichtigsten Waffen - die nachstoßenden Außenverteidiger - aus dem Spiel zu nehmen opferte Kramny ein wenig Flexibilität und verordnete den Flügelspielern konsequente Mannorientierungen, die somit beim Verfolgen von Olkowski und Hector häufig in die Viererkette zurückfielen. Einen Übergang ins Angriffspressing gab es vereinzelt in günstigen Situationen zu sehen, dieser war jedoch etwas unorganisiert und demonstrierte eher, wieso Kramny doch lieber tief verteidigen ließ.
Formativ verwandelte sich das Stuttgarter 4-2-3-1 gegen den Ball in eine breite Raute, bei der Gentner aufgerückt im Dunstkreis von Kevin Vogt agierte, während Die die Nähe zur Viererkette suchte. Die Mannorientierungen der zentralen Mittelfeldspieler gegen ihre Kölner Pendants wurden recht locker gespielt und vor allem dann aktiviert, wenn Köln auf den Flügel geleitet wurde und der VfB zustellen wollte. Ansonsten dienten die Gegenspieler jedoch eher als grober Orientierungspunkt, von dem aus auch mal raumtreuer verteidigt werden konnte.
Insgesamt passte diese grundsätzliche Ausrichtung ganz gut zu Kölns weiträumigem Offensivspiel. Bei den Verlagerungen, die sie gerne auf ihre Außenverteidiger spielen, hatten Rupp und Kostic direkt Zugriff und konnten zügig unterstützt werden, während der Gegenspieler erst einmal den Ball kontrollieren musste. Die großen Löcher, die der VfB dafür im Zentrum in Kauf nahm, konnte Köln wegen ihrer unkombinativen Anlage mit wenigen Überladungen nur phasenweise ausnutzen. Meist geschah das über den pendelnden Osako oder alternativ die leicht einrückenden Flügelspieler, wobei sich vor allem Bittencourt vereinzelt hervortat. Aber selbst wenn sie mal in diese Räume eindrangen, verpassten sie es, in den richtigen Momenten Geschwindigkeit aufzunehmen oder orientierten sich gleich wieder Richtung Flügel. Ein paar Mal kamen sie auf diese Weise allerdings doch zu gefährlichen Durchbrüchen, wenn Kostic Olkowski aus den Augen verlor.
Enttäsuchendes Aufbauspiel
Im eigenen Ballbesitzspiel konnte man beim VfB die eine oder andere neue Ideen erkennen: Die Innenverteidigung war ein bisschen nach rechts verschoben, sodass Schwaab aus einer breiten Position ohne Druch von Kölns Doppelspitze aufbauen konnte. Niedermeier blieb dann in der Mitte und links füllten Didavi oder Die die erste Linie auf; letzterer kippte auch häufig zentral ab. Diese Dreierketten wurden allerdings zu unsauber und mit zu geringen Abständen hergestellt, was sie leichter zu pressen machte. Darüber hinaus bewegte sich das Mittelfeldzentrum nicht zum ersten Mal sehr schwach. Insbesondere war es ein Problem, dass die Halbräume vor den Schnittstellen der Aufbaudreierkette nicht besetzt wurden. Didavi gab hier kaum Verbindungen, da er entweder vorne blieb oder gleich sehr tief zurückfiel, letzteres gilt auch für Die. Rupp konnte diesmal auch keine Balance herstellen, da er vom rechten Flügel aus deutlich weniger in den Sechserraum arbeitete als es in vergangenen Partien schon der Fall war. Stattdessen war er diesmal ein klarer Teil der Offensivreihe und besetzte dort verschiedene Räume.
Das Resultat waren einige schwierig zu lösende Aufbausituationen und der Elfmeter zum 0:1, welcher genau aus dieser Problematik heraus entstand. Insgesamt konnte der VfB den Schaden jedoch einigermaßen begrenzen: Da Köln mit den beiden Spitzen auf die Seite leitete und anschließend ein wenig den Flügel anbot, konnte der VfB zumindest dort etwas aufrücken und den Ball in kleineren, etwas isolierten Kombinationen oder über Dribblings von Kostic sichern. Positiv wirkte sich außerdem die Hereinnahme von Schwaab als Innenverteidiger aus; er fand sich dank seines vielfältigen Passpiels mit kurzen Vorstößen, flachen Verlagerungen und cleveren langen Bällen in der schwierigen Umgebung gut zurecht und bediente auch schwächere Staffelungen konstruktiv.
Aus diesen Gründen wurden die Konterräume, die diese Unzulänglichkeiten preisgaben zu keinem schwerwiegenden Problem. Auf der anderen Seite fand der VfB manchmal Umschaltchancen vor, wenn sie Kölns Verlagerungen abfangen konnten. Anschließend kamen die bekannten Mittel zum Einsatz, diesmal insbesondere Gentners brachiale Vorstöße und Flankenläufe von Kostic. Der Ausgleich fiel noch in der ersten Hälfte durch einen etwas blöden Fehlpass von Olkowski.
Zweite Halbzeit
Kramny eröffnete den zweiten Durchgang mit einer Umstellung auf 4-1-4-1, wobei Didavi und Gentner eine relativ symmetrische Doppelacht bildeten. Dieses System wurde noch ein Stück passiver interpretiert und sorgte mit dafür, dass Köln nach relativ ausgeglichenen Werten vor der Pause nun ein klares Ballbesitzplus verbuchte. Insgesamt funktionierte diese Umstellung nur mäßig gut: Die drei Mittelfeldspieler wirkten etwas willkürlich organisiert und spielten zu weit auseinander, was insbesondere beim weiträumigen Herausrücken des alleinigen Sechsers Die zum Problem wurde. Zudem bekam man ohne die zweite Pressingspitze nur noch wenig Druck auf das Kölner Aufbauspiel und die Rheinländer kamen konstanter nach vorne. Wirklich effektive Pressingszenen gab es nur noch, wenn Werner mal weite isolierende Läufe auf die Seite machte und das Mittelfeld dort mannorientiert zustellen konnte.
Trotz dessen blieb der VfB gerade in offeneren Situationen torgefährlich und brachte seine individuelle Überlegenheit vereinzelt zur Geltung. Zudem gingen die Gäste früh in der zweiten Hälfte nach einer Ecke in Führung, was sich für den weiteren Spielverlauf als sehr wertvoll erwies. Später legten sie das 3:1 per Konter nach, als Köln gegen Ende der Partie offensiver wurde.
Für die letzten 10 Minuten, in denen Köln einem Zwei-Tore-Rückstand hinterherlief, stellte Stöger noch mal auf eine ungewöhnliche Formation um. Eine Nummernkombination fällt mir dafür zwar nicht ein, aber wenn man es sich ungefähr als 4-3-3 vorstellt, bei dem der Linksverteidiger, in diesem Fall Hector, als zusätzlicher Sechser spielt und der Linksaußen den Flügel allein beackert, liegt man vielleicht nicht ganz daneben. In dieser Grundordnung gelang es Köln gegen den zurückgedrängten VfB noch einmal eine Menge Durchschlagskraft zu erzeugen. Mit Osako und dem eingewechselten Jojic hatten sie beide Halbräume besetzt. Sie stießen von dort aus immer wieder in die Lücke zwischen Außen- und Innenverteidiger und schufen damit eine diagonale Option für die Flügelspieler. Der VfB fand darauf keine geordnete Reaktion und musste in der kurzen Zeit noch den einen oder anderen brenzligen Durchbruch überstehen. Am Ende reichte es jedoch trotz Kölner Endspurt für einen Sieg, der letztlich klarer aussieht, als er eigentlich war.
Danke für die fundierte Analyse. Ist dieses Spiel mit diesem Ergebnis denn dann die Konsequenz aus in der Summe überdurchschnittlichen Spielern, einer mittelmäßigen Taktik und etwas Spielglück?
AntwortenLöschenKönnte man im Umkehrschluss (bis auf einige Spiele der Zorniger-Ära, die teilweise dominiert und teilweise abgeschenkt wurden) sagen, dass die letzten Jahre in vielen Spielen entweder die Taktik unterdurchschnittlich war oder das Spielglück gefehlt hat?
Dann müsste man Veh zugestehen, dass er Recht hatte, und den anderen Trainern außer Stevens müsste man vorhalten dürfen, dass sie nicht in der Lage waren, eine zumindest mittelmäßige Taktik zu wählen...