Darida und Skjelbred zerspielen das leitende 4-1-4-1
Die ersten 15 Minuten bis zum ersten Tor der Partie ging der VfB für seine Verhältnisse ausgesprochen passiv an. Aus dem 4-1-4-1 heraus positionierten sich die Stuttgarter recht tief und griffen erst, aus Gegnersicht, kurz vor der Mittellinie wirklich an. Dabei rückte Ginczek als einizige Pressingspitze zentral auf und isolierte den ballführenden Innenverteidiger per Bogenlauf, während der ballnahe Achter leicht nachschob und der Außernstürmer bei einem Pass auf den Außenverteidiger diesen anlief.
Die Abstimmung bei dieser Pressingvariante war eigentlich ziemlich gut, was vor allem an Ginczek lag, der sich immer wieder die richtigen Momente als Auslöser heraussuchte. Dass die erste Viertelstunde im Nachhinein trotzdem nicht zu Unrecht als schwächste Stuttgarter Phase angesehen wird, hat viel mit den Bewegungen von Herthas Sechsern zu tun. Mit Darida und Skjelbred wählte Pal Dardai eine sehr bewegliche und intelligente Besetzung. Die Beiden unterstützen das flügelorientierte Aufbauspiel mit sehr guten und aktiven Freilaufbewegungen, die sich für die Logik des Stuttgarter Pressings als pures Gift erwiesen. Insbesondere Daridas diagonale Läufe hinter den ballnahen Achter waren extrem schwer zu greifen und verschafften Berlin immer wieder Möglichkeiten zum Aufrücken.
Kurz vorher überlud Berlin mit Skjelbred und Darida die rechte Seite und lockte die VfB-Achter dorthin. Nach der Verlagerung kann Darida Gentner in den Halbraum entwischen. |
Teilweise wichen beide sogar auf eine Seite aus, wie in der Vorgeschichte der Szene oben. Nach kurzen Kombinationen konnten sie nach diesem Anlocken die entstandenen Löcher im Zentrum und auf der anderen Seite anvisieren. Zwar benötigten sie hier und da auch ein wenig Ballglück um sich zu behaupten, da der VfB wie erwähnt auch nicht schlecht zustellte, aber sie schafften es über ihre Sechser und auch die Außenverteidiger (Weiser nutzte Kostics Mannorientierung ein paar Mal gut aus) doch sehr konstant, dem Pressingdruck des Gegners zu entgehen.
Wir sind passiv in die ersten 10, 15 Minuten gegangen. Das war eigentlich nicht unser Plan. Wir wollten aktiv bleiben, aber nicht so hoch wie zuletzt stehen. Das haben wir nicht hinbekommen.
Zorniger auf der PK nach dem Spiel
In den Anschlussaktionen blieb die Hertha allerdings recht simpel und versuchte eher, über den Flügel weiter nach vorne zu kommen, anstatt die zuvor geöffneten Halbräume konsequenter auszuspielen. Für allzu viele Chancen reichte es dementsprechend nicht, bei Genki Haraguchis 1:0 schafften sie es dann aber einmal, nachdem sie wieder einmal über die Halbzone aufgerückt waren, den VfB nach einem Einwurf auseinanderzunehmen. Wie schon mehrmals in dieser Saison konzentrierten sich die Gäste in dieser Situation zu sehr auf den Strafraum und den direkten Zweikampf am Flügel, verpassten es aber, die Verbindungszone zuzubekommen.
Höher, unsauberer, effektiver
Als Reaktion auf den Rückstand ging der VfB direkt deutlich höher ins Pressing: Die Achter spielten aggressiver und schoben, vor allem im Fall von Gentner, teilweise bis auf die Innenverteidiger nach. Mitunter bildeten sich sogar rautenartige Staffelungen, bei denen Ginczek breiter blieb und einer der Achter als zweite Spitze vorne blieb. Dieser Beschreibung kann man schon entnehmen, dass die Flügelspieler im Gegensatz zum in der Vorbereitung praktizierten 4-3-3-Pressing ziemlich tief bleiben mussten, um die hohen Achter abzusichern.
Das war auch bitter nötig, weil Gentner und Didavi im Herausrücken, welches schon in den ersten 15 Minuten etwas zu weiträumig geschah, ausgesprochen unkoordiniert wirkten. Häufig sah man beide in sich praktisch nicht ergänzenden Konstellationen gemeinsam herausschieben, sodass die Hertha nur scheinbar in Bedrängnis geriet und immer wieder die offenen Halbräume finden konnte. Zwar konnten vor allem Die und Harnik gelegentlich reparieren und Hertha blieb ohnehin eher auf den Flügel fokussiert, aber die Anfälligkeit blieb und wurde über das Spiel hinweg immer wieder sporadisch ausgenutzt.
Wenn Hertha den langen Ball wählte, hätten sie eigentlich auch gute Chancen auf Abpraller in die verwaisten Räume neben Die gehabt, allerdings war der VfB dank Toni Sunjic, der in der eigenen Hälfte 6/8 Kopfballduellen gewann sehr präsent im Luftzweikampf, was es der außerdem relativ gestreckt formierten Hertha-Offensive nicht leicht machte, zweite Bälle zu holen.
Neue Rollenverteilung, wenig Wirkung
Formationen. Gentner und Didavi tauschten einige Male die Seiten, ebenso Beerens und Haraguchi. |
Zornigers 4-1-4-1 wartete dabei auch im Ballbesitzspiel mit kleineren Änderungen auch und ähnelte übrigens trotz praktisch identischer Besetzung nur oberflächlich der Formation, die unter Stevens den Klassenerhalt gesichert hatte. Kostic spielte etwa überraschend eng, entwickelte daraus aber kaum Einfluss aufs Zentrum, weil er von Herthas Kompaktheit immer wieder auf den Flügel gelenkt wurde. Der Effekt seiner veränderten Rolle beschränkte sich damit auf die eine oder andere frische Synergie mit Insua.
Harnik als Rechtsaußen spielte ebenfalls ein bisschen anders als bisher. Meist wurde er als Zielspieler rechts an der Seitenlinie gesucht, wohin sich auch Ginczek orientierte, und wurde von dort in etwas tiefere, strafraumferne Positionen getrieben. Im laufenden Spiel fiel er ebenfalls häufig in diese Zone zurück, spielte von dort aus aber wegen Herthas Passivität keine Ablagen sondern eher gestaltende Pässe, was diese Rolle ein bisschen merkwürdig aussehen ließ.
Was immer wieder mal versucht wurde, waren Kombinationen durchs Zentrum, die mit Vertikalpässen auf Ginczek und anschließenden Ablagen eingeleitet wurden. Herthas Kompaktheit war allerdings zu stark und das Stuttgarter Kombinationsspiel (noch) nicht gut genug. So kam es auf VfB-Seite stattdessen immer wieder zu Flanken (am Ende waren es 26 Stück), von denen die Berliner Abwehrreihe auch die Brenzligeren entschärfen konnte.
So blieb die Alte Dame auf der einen Seite durch die erwähnten Schnellangriffe und gelegentliche Konter gegen die mutig abgesicherten Stuttgarter Standards punktuell gefährlich, während der VfB insgesamt eher wenig Ballgewinne erzielte und aus seinem Ballbesitzspiel zwar problemlos Präsenz entwickeln, aber auch nicht ganz so viel Effektives machen konnte.
Wechsel und Schlussphasengebolze
Im Laufe des Spiels wechselte Zorniger durchaus gut: Der früh in der zweiten Hälfte für Harnik gekommene Kruse interpretierte die gleiche Position etwas weiträumiger, ging wieder mehr in die Spitze und ergänzte ansatzweise die Mechanismen auf der linken Seite. Später kamen Maxim und Ferati für Didavi und Kostic, was mit einer Umstellung auf 4-3-1-2 einher ging und das ganze Spiel kombinativer machte, sowie das Gegenpressing stärkte. Maxim ließ sich von der Zehn aus in alle möglichen Räume fallen, lockte Gegner heraus, kurbelte intelligent an und schuf so die Möglichkeit, Lücken des Gegners gezielter zu bespielen. Zusammen mit dem herumwuselnden linken Halbspieler Ferati und Stürmer Robbie Kruse gab es hier und da gute Ansätze, um den gegnerischen Strafraum geplanter zu inflitrieren. Die letzten fünf Minuten verschenkte der VfB dann allerdings mit angesichts des auf dem Platz stehenden Personals ziemlich sinnlosem Gebolze, das Zorniger nach dem Spiel auch richtigerweise anprangerte.
Aber sie haben's bis zum Schluss dann versucht, zum Schluss mit […] viel Kopf durch die Wand. Das war dann nicht das, was wir eigentlich wollten, auch durch die Einwechslungen wollten wir eigentlich nochmal das spielerische Element mit reinbringen, weil wir da die Räume im Zentrum bespielen wollten. Das hat dann aber nicht mehr gereicht, um die Niederlage noch zu verhindern.
Fazit
Zornigers Umstellung sorgte für mehr Stabilität, allen voran bei langen Bällen hinter die Abwehr, war aber in der Form wie das Ganze zu Beginn interpretiert wurde ein gefundenes Fressen für Herthas starke Doppelsechs. Nach dem Führungstor attackierte der VfB höher, war aber eigentlich in den Abläufen gegen den Ball schwächer oder zumindest nicht besser als vorher, nur eben besser an den Gegner angepasst. So wurden die Gäste gegen passive Berliner auch dominanter und waren insgesamt wohl leicht überlegen, allerdings schon wieder ohne daraus Zählbares zu generieren.
Was man übrigens auch mal wieder erwähnen könnte: Serey Die ist schon ein echt krasser Fußballer.