Dienstag, 8. August 2017

Pressingsorgen gegen Betis

Im letzten Testspiel vor dem Saisonauftakt gegen Energie Cottbus traf der VfB auf das von Ballbesitztrainer Quique Setien trainierte Real Betis. Dementsprechend wurde die Generalprobe vor allem zu einer Testlauf des Pressings. Im Spiel gegen den Ball war der VfB letzte Saison eher durchschnittlich unterwegs gewesen, wobei das Pressing vereinzelt, in Form von Gegneranpassungen, auf ein überraschend hohes Niveau gehoben werden konnte. Da der VfB in der Bundesliga wohl nicht so viel Ballbesitz haben wird wie in der Zweiten Liga scheint es jedoch notwendig, auch das Grundniveau des Pressings zu steigern. Gegen Betis sah man in dieser Hinsicht zumindest schon mal Ideen, doch besonders gut klappte es nicht.

Grundsätzlich spielte der VfB ein recht normales 4-4-2-Mittelfeldpressing, aus dem heraus man aber auch in ein deutlich interessanteres höheres Mittelfeld- bis hin zu einem sehr hohen Angriffspressing aufrücken konnte. Sehen wir uns mal eine Szene an, die ganz gut zusammenfasst, wie das aussah.



Aufstellung gegen Betis
Bei 13:12 wird das Pressing durch den Pass auf den Außenverteidiger ausgelöst. Terodde rückt raus und geht auf den Rückpassweg, Akolo läuft den Außenverteidiger im Bogen an, sodass dieser keinen Linienpass spielen kann. Ginczek bleibt tiefer, damit im gegnerischen Sechserraum kein Loch entsteht und Brekalo schiebt als ballferner Außen schon mal leicht nach vorne, um die mögliche Kontersituation aufzuwerten. Die ballnahen Ofori und Pavard gehen aggressive Manndeckungen ein und mit etwas mehr Glück hätte Ofori nach dem Pass auf seinen Gegenspieler auch direkt den Ball erobert.

In der Szene sieht man ein derartiges Rausschieben gleich drei Mal hintereinander und bei jedem Mal zieht sich die Mannschaft nach dem misslungenen Ballgewinn wieder ins 4-4-2 zurück, anstatt mit aller Macht weiter den Zugriff zu suchen. Wir haben es also mit einer einstudierten Variante zu tun, die in einem klaren Rahmen, insbesondere aus einer klaren Ausgangslage heraus stattfinden soll. Allgemeiner kann man beim VfB die Neigung beobachten, im Zweifel (etwa wenn die einstudierten Abläufe nicht greifen) eher abwartend zu verteidigen und den geordneten Rückzug zu suchen.

Das ist erst einmal nichts Negatives. Wenn eine Pressinglinie überspielt ist und man keinen Zugriff auf den Gegner hat ist es meist sinnvoller sich aufmerksam fallen zu lassen, den Angriff abzubremsen und sich neu zu sortieren. Andererseits habe ich den Eindruck, dass diese Rückzugstendenz auch die Quailtät des Pressings beschädigt, weil notwendige Herausrückbewegungen zum Teil nicht oder halbherzig ausgeführt werden werden. Beispiel diese Szene, Ginczeks Zögern ab 15:00.



Oder hier Pavard ab 48:20.



In der letzten Szene ist auch zu erkennen, dass die Grundkompaktheit nicht sonderlich stark war. Bei 48:36 ist ein riesen Raum zwischen den Linien offen. So konnte das Herausrücken der Sechser nicht immer gut abgesichert werden, auch weil die Flügelspieler gerne schon auf den Ballgewinn spekulierten (gerade Akolo hatte noch große Probleme dabei, eine gute Balance in seiner Positionierung zu finden). Der übrige Sechser hatte dadurch viel Raum abzudecken. Manchmal hätten die Sechser aber auch schlicht weiter verschieben müssen. Zwei Beispiele dazu:





Ein letzter Aspekt betrifft die beiden Pressingspitzen Terodde und Ginczek. Während die klare Aufgabenteilung (Ginczek meist Pressingzehner hinter Terodde) ein durchaus positiver Punkt war, schienen die beiden dennoch nicht optimal zu harmonieren. Beide sind eher die Rolle als Keilstürmer gewohnt und bringen offenbar nicht so viel Verantwortungsbewusstsein für den gegnerischen Sechserraum mit. Gegen Betis orientierten sich in ein paar Szenen beide gleichzeitig nach vorne und ließen damit Raum offen. Hier zum Beispiel:



Das klingt nun alles sehr negativ, aber man muss auch noch einige Sachen bedenken: Zunächst einmal ging der VfB womöglich noch nicht ganz die volle Intensität und kann in den Pflichtspielen noch ein bisschen zulegen. Mit höherer Intensität werden automatisch die Abstände kleiner und manche Probleme sollten dadurch abgeschwächt werden.

Außerdem muss man den Gegner berücksichtigen. In der Bundesliga gibt es außer Bayern und Dortmund wahrscheinlich keine Mannschaft, die so guten und konsequenten Spielaufbau betreiben kann wie Betis. Insofern wird man gegen die meisten Gegner auch mal Zugriff bekommen, selbst wenn man nicht alle Optionen perfekt unter Kontrolle hat. Und in den Szenen, in denen sich der Gegner doch freispielen kann, steht man durch das gute Rückzugverhalten zumindest nicht völlig offen.

Trotzdem muss man festhalten, dass es gegen den Ball noch einigen Nachholbedarf gibt. Legt man zum Beispiel Schalkes letztes Testspiel gegen Crystal Palace daneben, sieht man schon einen deutlichen Qualitätsunterschied. Eine konstant sehr gute Pressingmannschaft wird der VfB nach diesen Eindrücken wohl auch in der kommenden Saison eher nicht sein.

Und sonst so?


- Wer etwas umfassendere taktische Eindrücke aus den Testspielen haben will, den verweise ich auf das Taktikstueble.

- Offenbar wird der VfB von nun an auch über rechts versuchen, Fußball zu spielen. Die hängende Spitze ließ sich in den Tests oft in den rechten Halbraum fallen, um von da aus kreative Aktionen zu starten. In dieser Rolle könnten Ginczek oder Özcan ihre Passstärke oder Donis seine Tempodribblings einbringen.

- Zimmermann spielte in einem Test die Insua-Rolle auf rechts hinter Zimmer. Das sah ziemlich gut aus mit vielen Positionswechseln und so, bietet aber nach vorne natürlich nicht so viel Potential.

- Akolo hat zwar noch Probleme beim Verteidigen, ist aber ansonsten krass.

- Betis macht Spaß.

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