Grundsituation
Die Hauptstädter begannen in einem 4-1-4-1/4-2-3-1 mit Ben-Hatira, Stocker und dem zuletzt gesperrten Schulz für Haraguchi, Ronny und Ndjeng. Die offensiven Vier spielten dabei sehr breit und gaben dem effektiven Spielfeld Breite und Tiefe. Unterstützt wurden sie dabei von Per Skjelbred, der entweder in die Halbräume oder sogar weit hinter die VfB-Außenverteidiger rochierte.
Formationen zu Spielbeginn |
Im Pressing war dieser letztendliche 4-5-1/4-4-2-Mix als tiefes bis mittelhohes, manchmal aufrückendes Mittelfeldpressing angelegt. Die erste Berliner Aufbaureihe, die meist aus Hosogai und den Innenverteidigern bestand nahm Ibisevic in seinen Dunstkreis, während zurückfallende Spieler aus dem dichten Mittelfeldblock aufgenommen und weit verfolgt wurden. Da am Anfang das 4-5-1 beim VfB häufiger war, hätte die Hertha eigentlich einfach aufbauen können, indem Hosogai, Lustenberger und Heitinga ihre Überzahl gegen den einsamen Ibisevic ausgenutzt hätten, allerdings leisteten sie sich ein paar einfache Fehler ohne Bedrängnis, sodass sie die Anfangsphase nicht kontrollieren konnten.
Geplante und ungeplante Flügelangriffe
Die Hauptstädter wählten im Gegensatz zu Stuttgart ein Angriffspressing im 4-4-2, bei dem im Mittelfeld Manndeckungen übernommen wurden und die Außenspieler oder eine der beiden Spitzen bogenartig auf den Torhüter nachschob. Der VfB wollte sich mit diesem Pressing nicht anlegen und wählte stattdessen lange Bälle auf die rechte Seite, wo sie um Gentner herum ordentliche auf zweite Bälle standen.
Wenn sie den Ball im Mittelfeld festmachen konnten, hatten die Roten allerdings Probleme ihre Angriffe sinnvoll weiterzuentwickeln, konkret kamen sie nicht richtig in den ballfernen Halbraum und liefen sich stattdessen auf dem Flügel fest. Zum einen lag das daran, dass Hosogai und Skjelbred sehr gut nachschoben und dem VfB klug die Wege in's Zentrum abschnitten; auf der anderen Seite machten die Schwaben aber auch strategische Fehler. Dazu kam das gewohnt schwache und zu sehr in die Breite gerichtete Nachrückverhalten, das wirkungsvolle Schnellattacken verhinderte.
Die Hertha zog einen wesentlich größeren Nutzen aus der dynamischen Grundsituation. Die hohe und breite Offensive streckte das Spielfeld und sorgte vor allem dafür, dass die bisweilen ungewöhnlich guten Dribblingfähigkeiten von Ben-Hatira, Beerens und Kalou zum Tragen kamen. Zwar war das bei Ballbesitzangriffen eher selten der Fall, da sie wegen ihrer bewusst unverbundenen Struktur meist von der gegnerischen Formation außen isoliert werden konnten, aber nach langen Bällen, zweiten Bällen oder Kontern (wobei es wegen der massiven Stuttgarter Mittelfeldzentrale eher wenige davon gab und die meisten davon durch einfache Aufbaufehler verursacht wurden) sah das anders aus. Da der VfB praktisch keine Dominanz in hohen Zonen ausübte, musste die Hertha auch fast nie ins Abwehrpressing zurückrücken und kam entsprechend gut in ihre Angriffssituationen hinein. Daraus konnten sie sich mit guten Dribblings und einer kleinen Portion Ballglück mehrere Torraumszenen erarbeiten, wovon eine zum Elfmeter führte, den Kalou zum Ausgleich verwandelte.
Nach Gruezos Auswechslung |
Zweite Halbzeit
Nach der Pause gab es eine kurze Phase, in der der VfB etwas mehr Dominanz ausüben konnte. Sie rückten nun offensiv enger zusammen und stellten beispielsweise auch bei Einwürfen viel kompakter zu. Anschließend wurde aggressiv das Spiel die Linie entlang fokussiert, was ihnen ermöglichte, aufzurücken und ein paar Flanken zu schlagen. Die hohe Offensivkompaktheit auf der Seite und die geringe Strafraumbesetzung sorgten dafür, dass Hertha vorerst weit nach hinten gedrückt und einfacher vom Gegenpressing kontrolliert werden konnte.
Weiters investierte der VfB mehr in seinen Spielaufbau und suchte gegen inzwischen tiefere, nicht mehr so häufig ins Angriffspressing rückende Berliner auch spielerische Lösungen. Die Hertha-typischen Manndeckungen schienen damit etwas deutlicher durch als zuvor: Hosogai übernahm oft Gentner, Skjelbred Leitner und Stocker Romeu, während auf den Flügeln Außenstürmer gegen Außenverteidiger und Außenverteidiger gegen Außenstürmer spielte. Die Roten hatten damit erst einmal Probleme, denn anstatt gezielt die Lücken zu attackieren, die durch die Manndeckungen entstanden, liefen sie gerade in Person von Leitner, zu oft in die gegnerischen Kompaktheiten hinein.
Zusätzlich zu den wieder einmal offensichtlichen Problemen in der Raumnutzung waren die Gäste in ihrer 4-4-2-artigen Struktur auch intuitiv nicht gut verbunden, da Leitner und Romeu tief spielten und Gentner als Zehner keine Verbindungen herstellte und stattdessen viel in die Spitze und auf die Flügel arbeitete. Eine Aufbauszene, in der diese Problematik sichtbar wurde resultierte in einem Rückpass auf Rüdiger, der bei seinem Vorstoß unglücklich den Ball verlor und damit das 2:1 für die Hausherren ermöglichte. Die Hertha versprühte nach der Pause wegen des Stuttgarter Ballbesitzes nicht mehr so konstant Gefahr wie zuvor, aber lauerte, auch verbunden mit leichtem Zocken der Außenspieler, auf Gegenangriffe und konnte in diesem Fall einen größeren Fehler des Gegners bestrafen. Das selbe gilt für das 3:1, das ebenfalls nach einem Gegenangriff gegen aufgefächerte Stuttgarter fiel.
Mit der Auswechslung des wieder einmal extrem starken Romeu für Harnik hatte Veh bereits zuvor offensiv umgestellt. Zwar taten sich die Schwaben bei den flügelorientierten Ballbesitzangriffen nach wie vor schwer, aber dafür war der VfB jetzt sehr offensivpräsent und spielte daraus ein paar Mal gut auf zweite Bälle. Für mehr als den Standardtreffer zum 2:3 reichte es in der kurzen Zeit jedoch nicht. Mit etwas Pech hätte man durch das inzwischen löchrige Mittelfeld eher noch einen Treffer kassieren können.
Zusammenfassung
In der ersten Hälfte war der VfB wenig im Spiel und bekam aufgrund seiner Schwierigkeiten im offensiven Umschalten gegen Luhukays Angriffspressing keinen Fuß in die Tür; die Hauptstädter dagegen waren gefährlicher und hatten gute Möglichkeiten. Nach der Pause kippte das Spiel und Stuttgart übernahm das Kommando, wurde aber im Versuch, konstruktiver und offensiver zu werden zweimal empfindlich ausgekontert.
Nach wie vor leidet der VfB an den Offensivproblemen des Saisonstarts, die in den letzten Wochen durch strukturelle Anpassungen teilweise kaschiert, aber bei weitem noch nicht gelöst werden konnten. Dieses Mal fehlte über weite Strecken eine ausgefeilte Struktur, um die Stuttgarter anzuleiten, und der Auftritt erinnerte dementsprechend wieder an den trostlosen Saisonanfang.
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