Stuttgarter Ballbesitz
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Nach den etwas zerfahrenen ersten zehn Minuten, als Wolfsburg noch vereinzelt hoch presste und es viel Hin und Her gab, pendelte sich das Spiel dergestalt ein, dass der VfB gegen das 4-4-2-Mittelfeldpressing der Gäste einen sehr ruhigen und bedachten Aufbaurhythmus fuhr. Aus diesem heraus wollte man mit gezielten Ballbesitzattacken die stark wechselnden Mannorientierungen in Wolfsburgs Mittelfeld knacken. Dafür nutzten sie Überladungen auf der rechten Seite, wo sich Sararer gut einfügte, indem er etwas mehr einrückte als noch gegen Frankfurt. Seine Bewegungen ergänzten sich gut mit dem Ausweichen von Harnik und Maxim, während Gentners brachiale Vorstöße gelegentlich für Tiefe sorgten.
Gleichzeitig konnte sich der VfB durch das, wie erwähnt, im Grundsatz sehr bedachte Aufbauspiel immer wieder die richtigen Situationen aussuchen, um den rechten Halbraum zu bedienen. In diesem Zusammenhang muss man ein Lob an Thorsten Kirschbaum aussprechen, der aus rein spielerischer Sicht eine hervorragende Leistung bot. Auch auf das Genie von Daniel Schwaab mussten sie trotz dessen positioneller Verschiebung nicht verzichten - der Stuttgarter Rechtsverteidiger rückte balanciert auf und wurde kaum attackiert, sodass er aus tiefen Stellungen heraus immer noch Zugriff auf die recht breit angelegten Überladestrukturen hatte.
Detailschwächen und die Kostic-Katastrophe verhindern Effektivität
In den ersten 25 Minuten waren wir unheimlich aktiv und sehr flexibel. Wir hätten die Führung verdient gehabt. - Armin Veh
Grundsätzlich ermöglichten die Überladungen dank dem guten Spielaufbau und den harmonische Bewegungen der Offensivspieler einen effektiven Angriffsvortrag, der in der toll herausgespielten Chance für Gentner in der 20. Minute gipfelte. Allerdings zeigte der VfB auch einige Schwächen, die für das Ausbleiben von Durchschlagskraft mitverantwortlich waren.
Das vermutlich größte, aber mit Sicherheit offensichtlichste Teilproblem war die fürchterlich unpassende Rolle von Kostic, die sich im Kontext der Stuttgarter Offensivausrichtung als äußerst problematisch erwies. Der Linksaußen klebte unreflektiert an der Seitenlinie und war damit von den, wie angesprochen, eher breiten Rechtsüberladungen isoliert. In der zentralen Verbindungszone dominierten überdies eher raumöffnende Bewegungen wie beispielsweise Gentners Vorstöße und Maxims Ausweichen, sodass hier manchmal große Freiräume aufgingen, die ungenutzt blieben. Selbst wenn sich der Angriff dann doch auf seine Seite entwickelte, reagierte der Serbe unpassend und blieb in seiner breiten Position, anstatt in die offene Zone einzurücken, oder in die Spitze zu gehen. Damit fehlte er als sinnvolle Verlagerungsoption und nahm den Angriffen Dynamik.
Darüber hinaus gab es noch ein paar Kleinigkeiten, die sich negativ auswirkten: Rüdiger unterbrach die Ballzirkulation manchmal mit unbedachten Vertikalpässen; Maxim hatte nach einer Schiedsrichterentscheidung gegen ihn eine kurze Phase, in der er ein bisschen überdrehte und voreilig abschloss oder den letzten Pass suchte; und die bekannten Probleme im Aufrücken und der spontanen Strukturfindung schienen ohnehin immer mal wieder durch. Zusammen mit dem großen halblinken Loch und etwas Abschlusspech sorgten diese kleineren Probleme dafür, dass dem VfB mal wieder keine Effektivität aus Ballbesitzangriffen vergönnt war und der gute Gesamteindruck der schwäbischen Offensive in der ersten Hälfte etwas verwischte.
Wolfsburgs Schnellangriffe und Konter
Die Wölfe hatten ihrerseits einige Werkzeuge in petto, mit denen sie den VfB empfindlich attackieren konnten. Das eine waren Schnellangriffe gegen das Stuttgarter Pressing: Der VfB reihte sich gegen den Ball ähnlich wie gegen Frankfurt im 4-4-2 auf, presste aber ein Stückchen tiefer. Dabei agierten sie insgesamt ordentlich, aber es gab ein paar kleinere Schwierigkeiten in der Abstimmung zwischen der Mittelfeldreihe und den Pressingspitzen, die manchmal den Kontakt zueinander verloren. Das ermöglichte es Wolfsburg, nach Pässen auf die Außenverteidiger wieder auf die zu Sechser spielen und ins Zentrum zu kommen. Außerdem nutzten sie den weit aufrückenden Guilavogui, um Synergien auf der rechten Seite zu erzeugen und Gentners Herausrücken zu bestrafen. Das klappte auch ziemlich gut und sorgte für Aufrücken und Torgefahr.
Zum anderen versprühten sie durch die flatterhafte Stabilität der Hausherren stets eine latente Kontergefahr. Mit Romeu und den ausgeglichenen Außenverteidigern waren die Schwaben zwar nicht schlecht abgesichert, aber auch nicht so gut wie zum Beispiel in den Partien mit Gruezo und Romeu im Mittelfeld. Den Niedersachsen reichte das, um mit ihrer individuellen Klasse und der breiten Grundausrichtung immer wieder Nadelstiche zu setzen und in Eins-gegen-Eins-Duelle zu kommen.
Letztlich hielten sich die Stuttgarter Positionsangriffe und die Wolfsburger Schnell- und Konterattacken in etwa die Waage. Auch die Torschussstatistik war bis dato ausgeglichen (8:7, davon 5:5 aufs Tor). Den einzigen Unterschied machten zum Pausenpfiff ein Standardtor und der unglückliche Patzer von Romeu beim 0:1. (NB: Im Gegensatz zu vielen bisherigen Partien, in denen im Nachhinein "individuelle Fehler" für Gegentore und Niederlagen verantwortlich gemacht wurden, waren selbige diesmal ein gutes Stück weniger taktisch bedingt oder begünstigt. Davon abgesehen machte Romeu natürlich ein starkes Spiel und war ein wichtiger Schlüsselspieler.)
Die Entwicklungen in der zweiten Halbzeit
Nach der Pause passierte nicht viel aufregendes oder ungewohntes. Mit dem ruhigen Ballbesitzspiel war es aber spätestens nach dem dritten Gegentor vorbei: Fortan gab es weniger klare Überladungen und dafür mehr Diagonalbälle auf Kostic oder den inzwischen breiteren Gentner. Darüber hinaus geschah das, was in Spielen mit Gentner auf der Doppelsechs eigentlich immer passiert: Durch die Ungeduld im Angriffsspiel, den schlechter abgesicherten Flügelfokus und das inkonsequente Zurücklaufen der Stuttgarter wurde die Absicherung instabiler und die gegnerischen Umschaltmomente gefährlicher (man erinnere sich nur an den völlig weltfremden 5-gegen-2-Konter in der 55. Minute).
Insgesamt wurde das Spielgeschehen etwas ausgeglichener, Wolfsburg hatte ein wenig mehr vom Ball als zuvor, und der VfB durfte ein paar Mal zu Kontern ansetzen. Da die Wölfe jedoch gut abgesichert waren und die Stuttgarter ohnehin keine gute Umschaltmannschaft sind, wurden sie dadurch kaum gefährlich. Wolfsburg wiederum ließ dies allerdings auch unnötig zu, indem sie ein paar Mal zu schnell nach vorne spielen wollten.
Im Pressing zeigten die Hausherren ein ähnliches Nachlassen, wie gegen die Eintracht, indem sie mit der Zeit an Intensität und Abgestimmtheit verloren. Die Niedersachsen suchten anschließend individuelle Aktionen auf den Flügeln oder kleine Kombinationen, mit denen sie diese Schwäche des Gegners bestrafen konnten; mit der Zeit wurden sie entsprechend immer gefährlicher und verdienten sich die Führung im Nachhinein, wie man so schön sagt.
Beim VfB kam später noch Werner für Sararer, der sich gut einfügte, und auf der linken Seite deutlich besser für Tiefe und Anbindung sorgte als Kostic; dieser spielte inzwischen rechts, wo er deutlich sinnvoller eingebunden war. Durchschlagend sollte aber auch diese Änderung nicht werden, denn sie überlagerte sich mit einem etwas unpassenden Fokus auf Gentner und mäßigem Timing im Aufrückverhalten, was letztlich nicht ausreichte, um in der stabilen Defensive des Gegners klare Freiräume nutzbar zu machen.
Fazit
Der VfB zeigte was Ballbesitz- und Positionsspiel angeht seine beste Partie in dieser Saison, aber litt auch darunter, dass die offensiven Strukturen nicht zu Ende gedacht waren. Zusammen mit der unkonstanten Zielstrebigkeit fehlte ihnen damit erneut die letzte Durchschlagskraft im Angriffsdrittel. Außerdem erwies sich der Champions-League-Anwärter aus Wolfsburg als effektive Kontermannschaft, die es darüber hinaus verstand, das unsaubere Pressing des Gegners auszuhebeln und damit nie den eigenen Einfluss auf das Spielgeschehen verlor.
Die Offensivreihen haben es gut gemacht, und wir haben es besser gemacht. Meine Mannschaft war brutal effektiv. - Dieter Hecking
Für Armin Veh gilt es nun, die guten Ansätze im offensiven Mittelfeld weiter zu kultivieren und eine konstant sinnvolle Einbindung seinen Kapitän zu finden, sodass der VfB auch in zweiten Halbzeiten mal seine Absicherung wahren kann. Eines sollte man nämlich nach dem Frankfurtspiel nicht annehmen: Dass die Schwaben ihre Stabilität nur bei Rückständen einbüßen würden.
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