Sonntag, 7. Dezember 2014

14. Spieltag: VfB Stuttgart - FC Schalke 04 0:4

Stevens' Anpassungen an di Matteos Fünferkette scheitern und der VfB gelangt früh auf die Verliererstraße. Die Stuttgarter werden ins Ballbesitzspiel gezwungen und liefern in der Folge eine harmlose Vorstellung mit den üblichen Problemen ab.

Gleiches Personal, verändertes Pressing


Startformationen
Durchaus überraschend ließ Huub Stevens die nach Sperren zurückgekehrten Romeu und Schwaab draußen und baute auf die selbe Elf, die eine Woche zuvor den 4:1-Sieg in Freiburg eingefahren hatte. Auf der Gegenseite tauschte Schalke-Coach di Matteo nur ein Mal und brachte Barnetta für Höger ins Mittelfeld der erst kürzlich von ihm etablierten 5-3-2-Formation.

Eine der Fragen, die Schalkes Fünferkette aufwarf, war, ob Stevens die Flügelverteidiger von den Außenverteidigern oder den Flügelstürmern decken lassen würde. Die Antwort des Holländers war eine Asymmetrie: Werner agierte in einer simplen Mannorientierung auf Uchida und gliederte sich damit oft in die Abwehrkette ein. Sararer auf der anderen Seite spielte gegen den Ball deutlich höher und bildete die meiste Zeit eine Doppelspitze mit Harnik. Damit stellte sich die Pressingformation des VfB häufig als 5-2-1-2-artiges Gebilde ohne Kettenmechanismus im Mittelfeld dar.

Aus dieser Formation heraus versuchten sie ansatzweise, die Schalker auf deren rechte Seite zu lenken, indem Sararer etwas die Nähe zu Höwedes hielt, während Harnik zwischen Kirchhoff und Neustädter pendelte. Wegen der passiven Ausführung gelang das allerdings nur vereinzelt. Stattdessen konnte Schalke Fuchs ins Spiel bringen, der von Klein sehr aufwendig angelaufen werden musste. Dadurch bekam der Linksverteidiger der Knappen Zeit am Ball, die er für geschickte Longline-Pässe nutzte. Dort kamen dann ein Mal Huntelaar und ein Mal Meyer an den Ball. Aus diesen zwei Szenen entstanden die ersten beiden Tore. Beim Ersten musste Meyer sich noch gegen seinen Manndecker Gruezo behaupten und holte den 0:1-Freistoß heraus. Als Huntelaar rund 10 Minuten später dort an der Seitenlinie an den Ball kam, konnte er sogar ohne Gegenspieler - Baumgartl hielt sich wegen des extrem weiten Weges zurück - bis zur Abwehrkette durchlaufen und den Angriff zum 0:2 einleiten.

Dabei waren die Gäste offensiv bei weitem nicht so stark, wie es die deutliche frühe Führung suggerierte. Häufig bauten sie über die rechte Seite auf, wo Neustädter, wie erwähnt, besonders viel Raum gelassen wurde und erst durch einen isolierenden Lauf von Harnik zum Vorwärtsspiel gezwungen wurde. Neustädter oder auch Barnetta setzten oft zu Diagonalbällen auf die linke Seite an, wo Fuchs wegen Kleins enger Grundposition und der fehlenden Mittelfeldbreite beim VfB viel Raum hatte. Auch Uchida konnte ein paar Mal direkt geschickt werden, da Werner den Japaner manchmal entwischen ließ. Grundsätzlich waren diese Verlagerungen wegen des geringen Stuttgarter Pressingdrucks einfach zu spielen und für die Schalker ein risikoloses Mittel, um zu ein paar Ecken zu kommen - Ecken, die der VfB an diesem Nachmittag hanebüchen verteidigte. Das 0:3 fiel nach einer davon.

Die Stuttgarter Mittelfeldphobie


Trotz der offensichtlichen Defensivprobleme, war der frühe 0:3-Rückstand in dieser Höhe unglücklich für den VfB. Viel enttäuschender war aber ohnehin das eigene Ballbesitzspiel, das Beobachtern der Stuttgarter unangenehm bekannt vorgekommen sein dürfte. Di Matteos 5-3-2-Pressing verleitete den VfB dazu, frühzeitig auf die Außenverteidiger zu spielen. Von dort aus kamen die Hausherren nie richtig zurück ins Zentrum.

Normalerweise kam der ballnahe der beiden Stürmer bei Schalke nach dem eröffnenden Pass nach außen mit zurück und half dabei, die Passwege in die Mitte zu blockieren. Doch selbst, wenn das nicht der Fall war und die Mitte bespielbar war, gab es individuelle Schwächen: Leitner drehte beispielsweise nie in die Mitte auf und Gruezo blieb in seinem Anbietverhalten oft zu passiv. Klein, Sararer und vor allem Hlousek, der durch Uchidas zurückhaltende Rolle im Pressing besonders viel Raum bekam, suchten dann wiederum zu unreflektiert das Vorwärtsspiel die Linie entlang. Schalke konnte weit auf den Flügel nachschieben und mit den drei Mittelfeldspielern die selbe Kompaktheit herstellen, als wären sie Teil einer Viererkette. Gegen diese Enge gab es kein Durchkommen, das Höchste der Gefühle waren noch Szenen, als man sich mit Einwürfen die Linie entlang robben und aus solchen dann einen Ballrückgewinn erzielen oder mal ein inverses Dribbling von Sararer herausholen konnte.

Neben diesen krassen individuellen Unbedachtheiten in den Entscheidungen gab es auch einen taktischen Grund, der allerdings auf das selbe Grundproblem zurückzuführen ist. Leitner und Gruezo spielten meist recht eng aneinander und rückten zusammen auf die jeweils ballnahe Seite. Deshalb fehlten Optionen für eine druckvolle Verlagerung vom Flügel in die gegenüberliegende Halbzone. Selbige mussten dementsprechend oft auf den Außenverteidiger gespielt werden, der von seiner Breiten Stellung aus aber nicht dynamisch weiterspielen konnte und schnell wieder vor dem selben Problem stand wie sein Pendant auf der anderen Seite.

Dreier- gegen Fünferkette


Das Spiel des VfB schrie lauthals nach strategischen Elementen und wurde nach einer halben Stunde erhöht. Der aufbaustarke Schwaab kam für Leitner und Stevens stellte auf eine Art 3-4-1-2 um. Klein spielte fortan auf dem rechten Flügel höher und enger als Hlousek links, Gentner ging auf die Sechs, Sararer auf die Zehn und Werner neben Harnik in den Doppelsturm. Damit versuchte Stevens, die Flügel zu schließen, denn statt einer improvisierten Fünferkette mit Werner gab es nun eine mit "echten" Außenverteidigern, die Uchida und Fuchs verfolgten. Die Pressingformation blieb indes 5-2-1-2-ähnlich, wobei Klein und Hlousek nicht an die Abwehrkette gebunden waren.

Im Spielaufbau ergab sich nun eine breit aufgefächerte Dreierkette, bei der die Halbverteidiger Rüdiger und Schwaab nahe der Außenlinie standen. Das half deutlich, denn die Ballzirkulation in der Abwehrkette lief nun deutlich schneller ab - es brauchte nur noch zwei Flachpässe statt drei, um von einem Flügel zum anderen zu kommen. Darüber hinaus wurde Schalkes Mittelfeld vor neue Aufgaben gestellt, schließlich konnten die Halbverteidiger nicht von den Flügelverteidigern angelaufen werden. Sararers Ausweichen von der Zehn aus war außerdem wesentlich dynamischer als das von Gentner zuvor, was zusätzlich Unordnung stiftete.

Diese positiven Effekte traten vor allem bei Angriffen über links auf. Ging es über rechts, also Schwaabs Seite war das Aufbauspiel deutlich simpler gestrickt. In den meisten Fällen dribbelte Schwaab abwartend an und spielte dann seine berüchtigten hohen Bälle in den Zehnerraum. Ergänzend dazu machte Klein von der Seitenlinie aus unterstützende oder leicht raumöffnende Bewegungen ins Zentrum oder nach hinten, um Fuchs und auch Höwedes ein bisschen wegzulocken. Anschließend wurde einfach das Offensivzentrum geflutet und versucht, direkt durchzubrechen. Nur selten spielte Schwaab auch mal den verlagernden Flachpass diagonal in Schalkes Formation, aber das brachte wegen den schwachen Anschlussstrukturen und dem unfokussierten Weiterspielen ohnehin nicht viel. Insgesamt dominierte nun dieses Mittel und Schwaab sammelte die drittmeisten Ballkontakte aller VfB-Spieler trotz nur 60 Minuten Spielzeit. Tatsächlich kam man so auch ins Offensivzentrum, die anschließenden Szenen wurden aber unsauber zu Ende gespielt. Man merkte dem VfB an, dass ein Spezialist für den finalen Pass fehlte, der Schalkes kompakte Fünferreihe hätte knacken können. Klingt banal, ist aber so. Außerdem spielte Schwaab die langen Bälle (zumindest für mich etwas überraschend) mit der Zeit immer stumpfer, aber ich gehe davon aus, dass das eine Vorgabe war, um die Schwächen der Mittelfeldbewegung zu kaschieren und trotzdem noch irgendwie zu Offensivpräsenz zu kommen.

Schalke blieb derweil bei risikolosen langen Bällen, streute aber durchaus auch Flachpassangriffe ein, wie zum Beispiel in der 40. Minute, als sie mit einer guten Mittelfeldrochade Barnetta freibekamen und Meyer hinter die Abwehrreihe schicken konnten.

In der zweiten Halbzeit gab es schließlich noch ein paar Umstellungen auf VfB-Seite. Mit der Einwechslung von Romeu wurde die Mittelfeldnutzung noch ein Stückchen besser und die Dreierkette tendierte ein bisschen mehr in Richtung asymmetrische Viererkette. Nach 60 Minuten kam Ginczek für Klein und Werner spielte als rechter Flügelverteidiger. Zu diesem Zeitpunkt war das Spiel aber im Grunde längst entschieden. Der VfB kam nach der Pause zwar zu Offensivpräsenz (9 Schüsse in der zweiten Hälfte), aber zu keinen zwingenden Chancen mehr.

Stuttgarts Umstellungen in der Übersicht

Fazit


Stevens passt an, allerdings nicht so gut wie erwartet, und hat dann noch Pech, dass die Schwächen seiner Ausrichtung (vor allem die Lücke um Fuchs, sowie der generell fehlende Zugriff auf das gegnerische Aufbauspiel) von Schalke äußerst effizient bestraft werden. Die durchaus gute Umstellung auf Dreierkette kam damit zu spät. Durch dem frühen Rückstand war die neue Konterstärke obsolet und wurde von den bekannten Schwächen im Ballbesitzspiel abgelöst. Dazu kam mir nach dem Spiel ein interessantes Zitat von Stevens auf der Pressekonferenz vor dem Spiel in den Kopf.

Ich finde immer, es ist am besten, dass die Spieler sich untereinander korrigieren. Das ist immer das Beste, weil wenn es nur von uns kommen muss, von dem Trainerstab, dann bist du in einem Spiel immer zu spät. [...] du handelst immer nach der Situation. [...]
Natürlich bereiten wir uns gut vor, auf jedes Spiel. Aber, mir ist lieber, dass ich nicht so viel zu sagen brauch'. Dass die Spieler das verstehen, was sie tun im Training. Dass sie auch verstehen, was der Trainer möchte. Darum sag' ich, ich war früher so ein Spieler, der brauchte keine Erklärungen. Ich wusste vom Training aus, was der Trainer vorhatte. [...] Es sind immer wieder Spieler, die sind dann doch etwas schlauer vielleicht als ein anderer. Die verstehen das. Die brauchen die Erklärungen nicht.
- Huub Stevens auf der Spieltags-PK

Diese Ausführungen kann man durchaus als subtile Kritik an der Spielintelligenz seiner Mannschaft (und von mir aus im weitesten Sinne auch am Fehlen von "Führungsspielern") auffassen. Vor allem passen sie ziemlich gut zum Eindruck des fehlenden Mitdenkens, den die Mannschaft die ganze Saison über schon vermittelt, was sich dann in schwachen Mittelfeldbewegungen, ungeordnetem Pressing und generell fehlender Spontanität und Anpassungsfähigkeit in vielen Bereichen manifestiert. So wie in diesem Spiel eben auch.

2 Kommentare:

  1. Total genial.
    Vielen Dank für die tollen Analysen. Habe den Blog eben erst entdeckt und kann jetzt schon versprechen, dass ich Stammleser werde.

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