Breite gegen Breite
Erneut stellte Kramny das gewohnte, sehr defensive, flache 4-4-2 mit vielen Mannorientierungen auf. Gegen die flankenorientierten Wolfsburger Angriffe erwies sich diese Pressingformation als außerordentlich effektiv. Da der VfB in der Horizontalen sehr unkompakt dastand, war nur wenig Verschiebearbeit vonnöten, um die Flügel solide abzudecken – so hatten die Außenverteidiger bei Pässen nach außen sofort Zugriff auf Schürrle und Caligiuri. In der Vertikalen wiederum hielt der VfB sehr engen Kontakt zwischen den drei Reihen. Über Herausrücken aus den hinteren Linien und Rückwärtspressing der Spitzen – insbesondere Didavi tat sich hervor – konnten Lücken effektiv zugemacht und verengende, zugriffsfähige Stellungen erzeugt werden. Zusammen mit der äußerst disziplinierten Ausführung ergab das einen stabilen Auftritt, auf dessen Basis Wolfsburgs Schwächen in der Konterabsicherung offengelegt werden konnten. Wer sich erinnert: Huub Stevens hat Wolfsburg das Leben schon mal auf ähnliche Weise schwer gemacht, nur war es bei ihm deutlich als Anpassung erkennbar, während Kramny mehr oder weniger einfach so wie sonst auch spielen ließ.
Die Gäste traten dem mit ihrem 4-1-4-1 entgegen, das eine Reihe von Problemen in struktureller Hinsicht mit sich brachte. Die Offensive staffelte sich wie gewohnt hoch und sehr breit, während die Außenverteidiger tief in den Aufbau eingebunden waren und das Zentrum sporadisch von den beiden Achtern besetzt wurde. Dieser Formation fehlte es an Verbindungen im offensiven Mittelfeld. Die wären aber dringend nötig gewesen, da der VfB innerhalb der gestreckten Linien die wertvollsten Räume anbot. So kam es dazu, dass Wolfsburg, wenn sie einmal ins Zentrum kamen, von den diagonal nachschiebenden Sechsern wirksam isoliert und abgedrängt werden konnte.
Dazu hatte das Zurückschieben der beiden Spitzen, wenn es gerade nicht raumfüllend angelegt war, psychologischen Effekt auf das Aufbauspiel des Gegners. Meistens deuteten Werner oder Didavi den Zugriff nur an und waren gar nicht besonders intensiv. Allerdings, und die schwachen eigenen Verbindungen kamen ja noch dazu, reichte das, um beim Gegner eine gewisse Hektik auszulösen und voreilige Pässe und Ballverluste zu provozieren. Didavi und Werner rauschten nicht in die eigenen Reihen hinein, sondern blieben präsent für die folgenden Konter.
Die Konter
Gutes Stichwort, denn eigentlich müsste der VfB wegen seiner sehr passiven Stellung mit den tiefen Flügelspielern ja kaum nach vorne kommen. Allerdings gab es ein paar Aspekte, die dem VfB in dieser Hinsicht in die Karten spielten. Wolfsburgs Gegenpressing etwa stand wegen ihrer breiten Spielanlage strukturell auf wackeligen Beinen, zumal die Verteidiger und Guilavogui zu tief standen und unnötig Raum vor sich preisgaben. Über dynamische, antreibende Vorstöße von Rupp und Gentner stellte der VfB in diesem Raum zügig Präsenz her und kaschierte dadurch ein bisschen die hinten gebundenen Außenspieler.
In der Folge stand Guilavogui wegen der früh zurückweichenden Abwehrkette oft allein gegen die gut gestaffelten Didavi und Werner und konnte das Fortschreiten des Angriffs meistens nicht mehr verhindern. Der Franzose orientierte sich außerdem in zurückgedrängten Situationen immer wieder mal zu weit nach hinten und öffnete weiter das Mittelfeld – so auch bei Didavis Fernschusstor. Ein anderer individueller Negativfaktor war an diesem Abend Timm Klose, der einen äußerst schwachen Tag erwischte. Immer wieder irrte er Richtung Zentrum, wenn Werner auf den rechten Flügel auswich und eröffnete damit einfachste Durchbruchsoptionen für den VfB, selbst dann, wenn Wolfsburg eigentlich in Gleich- oder Überzahl verteidigte.
Wolfsburgs Versuche vor und nach dem Platzverweis
Erst mit der Zeit deutete Wolfsburg hier und da spielerische Lösungen an. Spielten sie zu Anfang noch zu stumpf nach vorne, änderte sich das etwas, als Arnold mehr Präsenz entwickelte. Über sein Herauskippen konnte Wolfsburg den Raum neben der passiven Sturmreihe einfacher infiltrieren und gefahrloser aufrücken. In höheren Zonen demonstrierte Arnold außerdem als einer der wenigen Wolfsburger Ruhe und das richtige Gespür für die Situation. In einer Szene Mitte der ersten Halbzeit wartete er zum Beispiel mangels Gegnerdruck einfach mal sekundenlang im rechten Halbraum und bespielte dann eine Wechselbewegung in der letzten Linie, was zu einem Flügeldurchbruch von Schürrle führte. Insgesamt fehlten aber auch bei Szenen in denen Arnold mal höher stand die Anschlussverbindungen und die einfachen Ablagemöglichkeiten in die gegenüberliegende Halbzone.
Nach der Pause schien Wolfsburg einen Tick besser in die Partie zu kommen, da Naldo für mehr Präsenz im Gegenpressing höher schob, Klose mit Ball mutiger aufrückte und Arnold seine guten Bewegungen von vor der Pause beibehielt. Allerdings waren sie nach Ballverlusten immer noch instabil und liefen noch in den einen oder anderen Umschaltangriff des VfB, bis dieser durch den Platzverweis von Sunjic in der 70. Minuten in Unterzahl geriet. Anschließend formierte sich der VfB in einem ultradefensiven, sehr flachen 4-4-1. Wolfsburg entschied sich folglich dazu, die geschenkten Aufrückmöglichkeiten dafür zu nutzen, Flanken in den Sechzehner zu prügeln. Da die fleißig verteidigende Spitze Werner bzw. später Tashchy, sowie die gelegentlich herausrückenden Sechser es gut verstanden die Verlagerungen des Gegners zu entschleunigen, mussten diese immer wieder auch aus dem Halbfeld geschlagen werden. Dennoch legten sie die eine odere andere Schwäche in der Stuttgarter Strafraumverteidigung offen, nutzten aber ihre Chancen nicht und kamen nicht mehr ran.
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