Freitag, 27. Juli 2018

Der Cheatcode des Fußballs: Anastasios Donis

Ohne Zweifel ist Donis ein besonderer Fußballer. Sein Tempo und seine spektakulären Dribblings lassen Beobachter über sein offenkundiges Talent staunen. Trotzdem hat er seinen Platz im Spitzenfußball noch nicht gefunden. Warum eigentlich?

Die 360°-Brechstange




Wie die meisten Dribbler lässt sich Donis gerne in Räume fallen, um Fahrt aufzunehmen, aber es ist bei ihm nicht zwingend nötig. Daher wird er nicht nur auf dem Flügel, sondern sogar bevorzugt als Mittel- oder Halbstürmer eingesetzt. Eine wichtige Fähigkeit dafür ist, dass er sich auch mit dem Rücken zum Gegenspieler orientieren kann. Seine Wahrnehmung der unmittelbaren Umgebung wirkt insgesamt stark. Zwar blickt er sich kaum um, aber er kann herausrückende Gegenspieler schnell ertasten und sehen, sobald sie eng genug dran sind. Außerdem hat der den Körper, um den Ball zu schützen und im direkten Duell die Kontrolle über den Ball zu behalten. Typischerweise wartet Donis, bis der Gegner in den Zweikampf geht, um den Ball abzuschirmen und die Kugel dann an ihm vorbeizulegen (oft auch per Tunnel) und schließlich mit Tempo in seinen Rücken zu starten. Alternativ kann er sich mit explosiven ersten Kontakten auch vom Gegenspieler lösen und sich sogar drehen oder den Ball durchlassen und hinterhergehen. Dabei ist er aber insgesamt nicht ganz so feinsinnig wie etwa Chadrac Akolo, der sich auf diese Drehungen spezialisiert hat. Trotz dieser Fähigkeiten mit dem Rücken zum Gegenspieler, fordert Donis die Bälle manchmal auch so, dass er den Passgeber und das Tor im Blick hat. Aus breiterer Position folgen klassische 1-gegen-1-Situationen, in denen er versucht mit Finten, schnellen Antritten und dem typischen Vorbeilegen (bzw. Tunnel) den Gegner abzuhängen.

Anders als bei reinen Flügeldribblern wie Filip Kostic haben Donis' Dribblings einen unbändigen Zug zum Tor. Breit stehende Mitspieler spielt er sichtlich ungern an. Im Erfolgsfall nehmen seine Dribblings den Gegenspieler komplett aus dem Spiel, sodass der Gegner ihn nicht mal mehr abdrängen kann. Das erlaubt es Donis, ohne Kompromisse Richtung Tor zu ziehen. Hat Donis mal einen Gegner stehen gelassen, wird der nächste Gegenspieler oft leichter zu überspielen, weil Donis den Tempovorteil hat und ihn der Gegner komplett neu aufnehmen muss. So rennt Donis nach der explosiven Ausgangsaktion häufig noch an einem, zwei, drei weiteren Verteidigern vorbei.

Donis ist damit vor allem eine Ein-Mann-Kontermaschine. Er kann von überall angespielt werden, den Ball behaupten, selbst in komplizierten Situationen ins Tempo kommen und gut schießen. Spieler wie Leroy Sané brauchen im ersten Moment Raum und müssen im Konter entweder geschickt werden oder in Freiräume ausweichen. Die meisten Mittelstürmer sind eh keine Tempodribbler und brauchen Ablagenstationen. Konterstürmer wie Aubameyang müssen geschickt werden und sind nicht so stark in der Ballbehauptung oder können aus der Ballbehauptung heraus kein Tempo aufnehmen. Andere Spieler wie Eden Hazard oder Neymar haben die klassischen Donis-Dribblings zwar im Repertoire, sind aber auch insgesamt variantenreicher und entscheiden sich oft für eine weniger brachiale Alternativaktion, die die nachrückenden Mitspieler einbindet.

Schwächen ohne Ball und mit Raum


Nun hat Donis auch einige gravierende Schwächen in seinem Spiel. Die problematischste davon dürfte sein Spiel ohne Ball auf gruppentaktischer Ebene sein. Zunächst mal ist es für einen Dribbler nicht ungewöhnlich, mehr mit individualtaktischen Themen beschäftigt zu sein als mit der Frage wo man in welcher Situation genau hinlaufen soll. Bei Donis ist die Diskrepanz der beiden Bereiche aber schon besonders ausgeprägt.

Zumindest sind seine Läufe ganz vorne individualtaktisch relativ gut. Wenn er zentral spielt, weicht er gerne in Räume neben der Abwehrkette und in die Schnittstellen aus, um dort Bälle in die Tiefe oder in den Fuß für seine Dribblings zu fordern. Dabei setzt er sich gut in den Rücken seiner Gegenspieler ab und nutzt manchmal sogar geschickt Lauffinten, um sich kleine Raumvorteile zu verschaffen.

Donis scheint sich bei seinen Bewegungen aber extrem auf die nächsten ein, vielleicht zwei Gegenspieler zu konzentrieren. Das Problem ist: Alles was weiter entfernt ist, ignoriert er immer so ein bisschen. Die Entscheidung, welche Bewegung er wann macht, wird damit recht willkürlich und so ist er gruppentaktisch ohne Ball bestenfalls punktuell effektiv. Es kommt beispielsweise regelmäßig zu Situationen, in denen Donis wegläuft, wenn er kurz kommen muss oder den Ball fordert, wenn er steil gehen muss. Er klinkt sich außerdem häufig aus Angriffen aus, an denen er im ersten Moment nicht beteiligt ist und bleibt dann in Räumen stehen, die für den Angriff nicht relevant sind. Lässt er sich fallen, um Bälle zu fordern, sieht es auch nicht gut aus. Inmitten der gegnerischen Kompaktheit positioniert er sich zeitlich und räumlich nicht präzise genug. Manchmal kommt er nicht aus dem Deckungsschatten raus und setzt ungewollt den Ballführer unter Druck.

Diese Schwächen im Bewegungsspiel machen es schwierig für ihn, als Teilnehmer (oder auch nur als "Veredler") von Kombinationsangriffen oder als systematischer Abnehmer für Pässe aus dem Zwischenlinienraum konstant effektiv zu sein.



Dazu zeigt er Schwächen in Situationen, in denen er Raum hat und nicht ins direkte Duell gehen kann. Möglichst sauber und stringent Raumvorteile "auszudribbeln" und mit logischen, zuverlässigen Aktionen den Angriff zu entwickeln, ist nicht so sein Ding. Außerdem fällt die Qualität seiner torgefährlichen Aktionen sehr gemischt aus. Seine Flanken weisen eine riesige Streuung auf. Vielfach gibt er technisch gute, aber relativ aussichtslose Fernschüsse ab. Für den finalen Pass ist er nicht perfektionistisch genug.



Zu guter Letzt ist diese impulsive, inkonstante Art von Donis auch gegen den Ball sichtbar. Durch seine Dynamik gelingen ihm relativ viele Balleroberungen. Zudem hat er im Rückwärtspressing starke Momente, in denen er bis zum eigenen Strafraum zurücksprintet und entscheidend Präsenz herstellt. Allerdings gelingt es ihm nicht, sich dauerhaft über 90 Minuten hinweg hilfreich zu bewegen, seine Position zum Ball, zum Gegner und zu den Mitspielern immer wieder anzupassen. Insbesondere wirkt er in einigen Phasen teilnahmslos und ein bisschen faul. Im Gegenpressing neigt er dazu, sich mehr über den Ballverlust ärgern, als sofort nachzusetzen. Wenn dann die intensiven Phasen kommen, übertreibt er es auch gelegentlich: Er macht dann überflüssige Meter und lässt seine Grundposition offen, was sich auf Stabilität und eigenes Konterspiel negativ auswirken kann.



Wohin mit ihm?


Schmeißt man Donis mit seinem ungewöhnlichen Fähigkeitenprofil einfach irgendwie ins System, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es keine besonders gute Lösung ist. Insbesondere kann man sich überlegen, dass Donis kein Element des Kombinationsspiels sein, sondern in Position für seine Dribblings kommen soll, wenn nötig auch in schwierige Situationen, allein gegen mehrere Verteidiger. Dieser Gedanke führt zu zwei besonderen, mittlerweile bewährten Einbindungen, seit Donis beim VfB ist. Beide basieren auf Isolation.

Nummer eins: Donis spielt auf einem der beiden Flügel breit, während der andere überladen wird. Vor allem Hannes Wolf griff im Rahmen seines Positionsspiels häufig auf diese Variante zurück, aber auch Korkut versuchte es in seinem ersten Spiel gegen Wolfsburg so. Meistens wurde Donis nur durch einen diagonalen Außenverteidiger unterstützt, der hauptsächlich den Passweg zu ihm öffnen sollte. Der Vorteil eines solchen Systems: Donis ist isoliert und man kann in anderen Räumen viel mehr Spieler zusammenbringen als normalerweise möglich. So kann man lokal seine Offensivpräsenz erhöhen ohne Spieler aus der Absicherung zu opfern. Der Nachteil: Donis ist zu weit weg vom Tor. Das schadet der Effektivität seiner Aktionen schon enorm.

Variante 1: Eine Seite überladen, auf der anderen Donis.

Nummer zwei: Donis spielt Stürmer in einem reinen Kontersystem. Das ist aus individueller Sicht wohl die beste Einbindung seiner Fähigkeiten. Wie gesagt: Kontermaschine. Mit Donis als Konterspieler vorne kann man sich hinten reinstellen, alle Bälle auf ihn spielen (bevorzugt natürlich flach) und er macht das schon, vielleicht mit einem oder zwei Unterstützern. Korkut nutzte diese Variante gegen Ende der Saison, wenn seine Mannschaft mehr und mehr zurückgedrängt wurde, und konnte das Momentum des Spiels mit Donis' Einwechslung teils völlig zu seinen Gunsten kippen lassen. Im letzten Spiel gegen Bayern stand Donis dann in einem rein konterfokussierten 4-5-1 in der Startaufstellung und den Rest kennt ihr ja.

Die Frage ist dann immer, was man in einem solchen System macht, sobald man den Ball hat. Bei der griechischen Nationalmannschaft war es teilweise so, dass er auch im Ballbesitz fast alle Bälle bekam, kaum nachgerückt wurde und er sich allein durchtanken sollte. Wieder ist die Idee Isolation. Eine weniger extreme Möglichkeiten wäre vielleicht Donis als Mittelstürmer in einem engen 4-2-3-1. Da müsste er wenig zurückfallen und könnte sich auf seine Moves an der Abwehrlinie konzentrieren.

Bleibt zum Abschluss die Frage, in welche Richtung sich der 21-Jährige noch entwickeln wird. Seine gewissermaßen ignorante Spielweise scheint gleichzeitig seine größte Stärke und seine größte Schwäche zu sein. Ob er seine Aktionen stabilisieren und variantenreicher werden kann, ohne den Donis-Faktor zu verlieren?

1 Kommentar:

  1. Eine hervorragende Analyse. Ich hoffe Donis bekommt seine Spielzeit und kann sich in der bevorstehenden Saison weiterentwickeln. Er hat das Zeug ein ganz großer zu werden. Und ehrlich gesagt glaube ich es ist eine Frage der Zeit bis die Rakete explodiert. Ich hoffe es passiert noch beim VFB :)

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