Frische Elemente
Gegen den Aufsteiger ergaben sich durch die Rückkehr von Die und Gentner neue Optionen für die Ausgestaltung des Mittelfelds. Alexander Zorniger entschied sich dafür, die Beiden als Achter in seine neue Rautenformation einzubauen und ließ Daniel Schwaab weiter auf der Sechs spielen.
Der VfB in der Offensive |
In der ersten Hälfte hatte der VfB mit 61% Ballbesitz gegen die tief stehenden und nur selten mal höher pressenden Darmstädter zahlreiche Möglichkeiten zum ruhigen Spielaufbau. Meistens kippte einer der Achter hinter den jeweils sehr hohen Außenverteidiger heraus und forderte den Ball. Da Darmstadts Außen - vor allem Konstantin Rausch - die gegnerischen Außenverteidiger mannorientiert verfolgten und mit in die Abwehrkette zurückfielen, hatte gerade Serey Die viel Raum, um das Spiel von dort weiterzuentwickeln. Auch von Didavi und später Maxim gab es zahlreiche zurückfallende Bewegungen zu sehen.
Währenddessen konnte Schwaab als Sechser deutlich mehr überzeugen als beispielsweise gegen Leverkusen. Mit leichtem Ausweichen oder Aufrücken hielt er einige Male die Balance im bewegungsreichen VfB-Mittelfeld und spielte insgesamt recht aufmerksam. Meistens fiel er jedoch zwischen die Innenverteidiger zurück und ermöglichte Baumgartl aus einer sehr breiten Position nahe der Seitenlinie aufzubauen.
Davor zeigte sich Werner als linke Sturmspitze sehr beweglich und driftete in verschiedene Räume, während Gentner viel in die letzte Linie ging und, für ihn typisch, mal überraschend einfach irgendwo auftauchte. Harnik dagegen war der höchste aller Offensivspieler und lieferte abgesehen von gelegentlichem Ausweichen nur Läufe in die Spitze.
Was gegen die mannorientiert spielenden Gäste eigentlich nach einer ordentlichen Ausgangssituation mit vielen möglichen Mechanismen klingt und auch teilweise für ordentliches Aufrücken sorgte, brachte so gut wie nichts direkt Effektives ein - kein einziger Schuss aufs Tor stand nach 45 Minuten auf der Habenseite. Das hatte verschiedene, aber auch miteinander verwandte Ursachen.
Alte und neue Schwächen im Ballbesitzspiel
Ein großes Problem, das auch eng mit der grundsätzlichen Spielidee verknüpft ist, ist, dass sich die Offensivspieler des VfB zu früh auf ein einziges, simples Angriffsmuster festlegen, welches dann unbeirrt durchgezogen wird - unabhängig davon, was eigentlich der Gegner so macht und wo er Räume lässt. Dirk Schuster machte sich das voll und ganz zu Nutze, indem er seine Sechser extrem weit auf die Seiten verschieben ließ und damit absichtlich ballfern das Zentrum offen ließ - bespielt der VfB ja eh nicht. Ein Beispiel:
Ganz allgemein stehen die Läufe der Offensivspieler oft in keinem wirksamen Zusammenhang zueinander. Ich habe vorhin die vielen zurückfallenden Bewegungen erwähnt - die erfolgten allerdings hauptsächlich aus der gegnerischen Formation heraus. So kam es manchmal dazu, dass bis zu drei Spieler gleichzeitig ab- und herausgekippt dastanden, was natürlich keine sinnvolle Aufbauformation ist. Das Zurückfallen etwa von Didavi müsste öfter mal innerhalb des gegnerischen Blocks enden und dort einen Verbindungsanker für das Spiel nach vorne bilden. Auch die durchaus vielfältigen Läufe von Harnik und Werner sind eigentlich nicht schlecht, aber ihrer Stürmernatur entsprechend besetzen sie tiefere Zonen eher temporär und unverbindlich ohne daraus eine belastbare Struktur zu entwickeln. Daher fallen diese Bewegungen häufig etwas zusammenhangslos unter den Tisch. Das paradoxe Resultat: Es ist zwar viel los im Mittelfeld des VfB und es laufen viele Leute durch die Gegend, aber es bleibt alles sehr diffus und wenig konkret. Die vielen Mittelfeldspieler und beweglichen Spitzen interagierten mit überschaubarer Komplexität und wenig Erfolg.
Das Ganze könnte man auch als Symptom einer eher individualistisch und simpel als kollektiv und vielfältig orientierten Denkweise werten. Zurückfallen heißt eher: »Ich entziehe mich jetzt dem Gegner, hole mir den Ball und spiele ihn dann nach vorne«, anstatt dass ein wirklich strukturbildender Gedanke dahintersteckt. Ähnliches könnte man bei Läufen in die Tiefe interpretieren, die beim VfB häufig nur als Aufforderung zum Steilpass oder langen Ball gedeutet werden. Selten steckt in der gesamten Aktion eine Idee, die konkret und sauber die Einbindung mehrerer Mitspieler vorsieht, beispielsweise, indem ein Lauf in die Tiefe nur den Verteidiger binden und Raum für den Zehner öffnen soll. Dazu ein Beispiel:
Nicht zuletzt spielt auch Hektik in individuellen Entscheidungen eine Rolle. Unruhe und fehlendes strategisches Bewusstsein kann verhindern, dass sich die richtigen Konstellationen herausbilden und man sich passende Situationen zum Eröffnen aussuchen kann. Frühe lange Bälle und ein ansonsten recht monotoner, vorhersehbarer Aufbaurhythmus sind die Folge davon. Wie die letzte Szene direkt aus dem Kuriositätenkabinett zeigt, kann sogar das Gegenteil vorkommen...
Serey Die mit der eigenwilligen Entscheidung, abzudrehen (und dabei den Ball zu verlieren), anstatt die Gleichzahl im Zentrum zu bedienen. |
In diesem unförmigen Zustand zwischen vertikaler, individualistischer Spielanlage und durch verletzungsbedingte Besetzung und tief stehende Gegner erzwungene kollektivere Ausrichtung mit Ballbesitzansätzen befindet sich der VfB momentan. Entsprechend wenig war zuletzt gegen Jena und Darmstadt von der Stuttgarter Offensivpower zu sehen. Wenn das Pech nicht noch einmal zurückkehrt und man bis zum Winter genug Punkte sammeln kann, dann hätte man in der Vorbereitung auf die Rückrunde ja vielleicht mal die Möglichkeit, gewisse Baustellen anzugehen...
P.S. Darmstadt war defensiv nicht schlecht. Das konsequente Verschieben der Sechser kaschierte die tiefen Außen ziemlich gut, die wiederum Flügeldurchbrüche erschwerten. Auch das Pressingverhalten der beiden Spitzen, insbesondere das des genialen Jan Rosenthal war sehr löblich. Immer wieder nahm er die vielen freien Quadratmeter hinter den nachrückenden Sechsern in seinen Deckungsschatten und blockierte etwaige Stuttgarter Verlagerungen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen
Mit der Nutzung der Kommentarfunktion werden Formulardaten und möglicherweise weitere personenbezogene Daten (z.B. IP-Adresse) an Server von Google übertragen.
Datenschutzerklärung: https://www.vfbtaktisch.de/p/datenschutz.html
Datenschutzerklärung von Google: https://policies.google.com/privacy